movieaddict: (9th Doctor)
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8. Später Besuch


„Und, was meinst du: heute Abend die Wiederholung von ‚Saw’ im Fernsehen?“ fragte House, als sie draußen auf dem Parkplatz standen.

Wilson schien nur mäßig begeistert zu sein. „Du weißt, ich mochte diese Horrorfilme nie besonders. Mir reicht das Blut im OP, das brauch ich nicht auch noch abends.“

„Weichei!“

„Wie wär’s stattdessen mit Psycho? Das Original natürlich!“

„Und da gibt es keinen Mord und Totschlag?“ grinste House und unterlegte seine Worte mit einer anschaulichen Gebärde, als er das Zustechen mit einem Messer ‚imitierte’.

„Gut, gut, aber das hat irgendwie mehr Stil.“

„Immer diese Banausen! Schwarz/weiß ist also Stil, Farbfilm steht für ‚blutiges Gemetzel’. Eine einzige Schwarz-Weiß-Malerei ist das!“

Wilson lachte auf: „Na, wir werden sehen. Vielleich können wir ja auch einfach was ausleihen. Lass uns auf dem Heimweg doch gucken, was VideoWorld so Neues hat.“



Später am Abend hatten sie es sich auf der Couch bequem gemacht. Schlussendlich hatten Sie sich auf „Der Pate“ geeinigt. Brutal, aber trotzdem mit Stil, wie House befand. Wilsons Favoriten für den Abend, „Das Fenster zum Hof“, hatten sie nach einem kurzen Blick auf die Hülle in der Videothek stehen gelassen.

„Man sollte meinen, englische Untertitel wäre mittlerweile Standard!“ schimpfte Wilson. „Was soll ich mit spanischen oder italienischen Untertiteln? Bin ich Italiener?“

„Ganz ruhig, Signor Wilson.“ antwortete House. Aber er konnte seinen Freund schon verstehen. Wie oft war er frustriert, wenn sein Bein ihm seine Grenzen aufzeigte – Wilson konnte zwar überall hinlaufen, dafür standen ihm andere Hürden im Weg.

So beobachteten Sie jetzt also Marlon Brando als mächtigen Unterweltboss. Gerade wachte einer seiner Feinde neben dem Kopf seines Lieblingspferdes auf, da klingelte es an der Tür.

Wilson sah auf. „Erwartest du jemanden? Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du nen Lieferservice angerufen hast.“

„Hab ich auch nicht. Keine Ahnung, wer das ist.“

Wilson öffnete die Tür. Zu seiner Überraschung stand Cuddy im Hausflur.

„Hallo, Wilson. Störe ich?“

Sieh sah etwas gestresst aus. Gut wie immer, aber doch mit leichten Schatten unter den Augen. Wahrscheinlich die Sitzung des Finanzausschusses am Nachmittag.

„Nein, kommen Sie rein. Wir schauen uns nur gerade einen Film an. Sie können gerne mitgucken.“

House mischte sich vom Sofa aus ein. Er bewarf Wilson mit einem Kronkorken – ein Volltreffer in den Nacken – und gebärdete in ‚ihrer’ Sprache: „Du lädst doch wohl nicht etwa den Feind in meine Wohnung ein. Verräter!“

Wilson lachte und übersetzte für die ahnungslose Cuddy.

„House freut sich auch, dass Sie hier sind.“

„Tut er nicht!“ kam die Stimme des Diagnostikers mittlerweile aus der Küche.

Cuddy grinste und folgte ihm. „Ich wollte auch nicht lange bleiben. Ich muss nur dringend etwas mit Wilson und Ihnen besprechen.“

„Oh, oh. Was hast du jetzt angestellt, House?“

„Wieso soll ich Schuld sein? Ich war brav. In letzter Zeit gab es keine jammernden Klinikpatienten – jedenfalls keine, die über mich gejammert hätten.“

„Das, Dr. House, hat genau zwei Gründe: 1. Kein Patient würde es wagen, sich in Ihrer Gegenwart über Sie zu beschweren und 2. Sie waren in den letzten Wochen gar nicht in der Klinik! Deshalb bin ich im Übrigen auch hier.“

„Was? Sie kommen um neun Uhr abends vorbei, um mich zum Klinikdienst zu verdonnern? Ehrlich, so was fällt auch nur Ihnen ein.“

„Eigentlich wollte ich Sie beide zum Klinikdienst verdonnern.“

Vorsichtig beobachtete Cuddy Wilsons Reaktion. Der Onkologe wirkte zwar nicht direkt erschrocken, aber zumindest etwas perplex.

„Na ja“, schwächte Cuddy ab, „House wollte ich verdonnern, Sie wollte ich erst mal fragen, ob Sie sich langsam wieder dazu bereit fühlen.“

„Klinikdienst? Cuddy, wissen Sie, was Sie da verlangen? Die Hälfte der Patienten dort kommt mit Erkältungsbeschwerden oder Brustschmerzen.“ Wilson sah ihr in die Augen. „Der Umgang mit nem Stethoskop gehört dieser Tage nicht eben zu meinen Spezialitäten.“

Cuddy errötete leicht. „Das ist mir klar, Wilson“, sagte Sie sanft. „Deshalb bekommen Sie auch eine einmalige Chance: Sie dürfen sich Ihre Patienten aussuchen.“

House fiel fast die Kinnlade herunter. „Hey, das ist nicht fair! Wieso darf er sich seine Leute aussuchen, und ich muss alles nehmen, was in die Klinik gekrochen kommt?“

„Suchen Sie sich den Grund aus, der Ihnen besser gefällt: ich mag Wilson lieber, ich will Sie ärgern, oder – und den finde ich persönlich am besten: es ist einfach eine notwendige Anpassung an die neue Situation.“

Sie wandte sich wieder direkt Wilson zu: „Hören Sie, irgendwann müssen Sie wieder anfangen, Patienten zu sehen. Und ich denke, ein paar einfache Fälle in der Klinik sind da besser als Krebspatienten im finalen Stadium, oder?“

Wilson zögerte. House konnte sehen, dass ihm die Idee Angst machte. Und er verstand ihn. Er selbst vermied es ja schon seit Jahren, Patienten zu sehen, wenn es nur irgendwie ging. ‚Offiziell’ natürlich nur, weil die meisten Patienten Idioten waren! Wenn er genauer darüber nachdachte, musste er sich aber eingestehen, dass auch die Blicke, mit denen Sie ihn ansahen, viel damit zu tun hatten. Dieses Mitleid war einfach fürchterlich! Wilson sah man sein Handicap zwar nicht sofort an – etwas, worum der Diagnostiker ihn insgeheim beneidete – aber stattdessen musste sein Freund befürchten, dass seine eingeschränkte Wahrnehmung tatsächlich Auswirkungen auf seine diagnostischen Fähigkeiten haben könnte. Aber Cuddy hatte recht: irgendwann musste er wieder anfangen.

„He, Wilson.“ meinte House. „Ist in Ordnung. Cuddy teilt uns zur gleichen Zeit ein, dann komm ich vorbei, wenn du Hilfe brauchst, ok?“

Cuddy nickte ihm dankbar zu. „Klar, das kann ich machen. Und Sie würden nicht unter Zeitdruck stehen. Ich teile Sie erst mal zusätzlich zu einer vollen Besetzung der Klinik ein, dann können Sie das in Ruhe in Ihrem Tempo angehen.“

„Wann soll es denn wieder losgehen?“ fragte Wilson.

„Am besten so schnell wie möglich. Ich muss Sie in keinen Schichtplan einbinden, insofern: nächsten Montag? Erst einmal nur von 8:00 bis 12:00. House kann in der Zeit Chases Klinikschicht übernehmen.“



Nachdem Sie sich geeinigt hatten und Cuddy gegangen war, ließ House sich zurück aufs Sofa fallen und schaltete den Film ein.

„Was ist, kommst du her?“

„Ja, bin gleich da“ antwortete Wilson und verschwand im Bad.

House hörte, wie er kurz am Schrank herumwühlte, dann war es still. Er konzentrierte sich wieder auf den Film. Brando war aber auch genial!
Erst als Wilson nach 30 Minuten immer noch nicht zurück war, beschloss er, nach ihm zu sehen. Er öffnete vorsichtig die Tür zum Badezimmer. Wilson stand mit dem Rücken zu ihm mit gesenktem Kopf am Waschbecken, stützte sich schwer mit beiden Händen ab. Als House ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte, schrak der Onkologe auf.

„Verdammt! Kann man hier nicht einmal in Ruhe in seinem Elend versinken!?“

House sagte nichts, er beobachtete nur. Wilson wirkte müde und erschöpft, seine Augen waren rot gerändert.

Schließlich sprach der jüngere wieder: „Ich weiß nicht, ob ich das kann, House. Ich hab eine Scheißangst!“ Er führte die Gebärden klein und zögernd aus, was einem Flüstern gleichkam. „Ich meine, es gibt so viel, was da schiefgehen kann. Ich kann Gott-weiß-was übersehen. Ha, besser: überhören!“

Er setzte sich auf den Rand der Badewanne und vergrub sein Gesicht in den Händen.
House zögerte, dann setzte er sich neben ihn. Er stöhnte leise auf, ob der für ihn ziemlich unbequemen Position. Einige Minuten blieben die zwei schweigend so sitzen, bis Wilson schließlich aufsah.

„Gott! Weißt du, dass ich dich tatsächlich beneide, House? Ich sehe, wie du jeden verdammten Tag seit Jahren leidest, und trotzdem beneide ich dich. Lieber würde ich deine verflixten Pillen schlucken, als weiter in dieser Stille zu leben. Das treibt mich noch in den Wahnsinn!“

Der gesamte unterdrückte Frust und die Verzweiflung der letzten Monate brachen jetzt aus Wilson hervor. //Gut// dachte House, der schon besorgt gewesen war, weil der nach so einem Schlag eigentlich obligatorische Zusammenbruch nie gekommen war. Bis auf die kurze Szene am Flügel hatte Wilson fast immer nur seine gelassene, fröhliche Seite gezeigt.

„Ich träume in Stereo, weißt du? Ich glaube nicht, dass ich mich je daran gewöhnen werde, aufzuwachen, und nichts als die verdammte Stille um mich zu haben! Bei 90% der Leute habe ich schon vergessen, wie sich ihre Stimmen anhören. Ich hab keine Ahnung mehr, wie meine Mutter klingt, House. Meine Mutter! Sowas vergisst man doch nicht so einfach!“

Er stockte. Tränen liefen ihm über das Gesicht, doch Wilson schien das kaum wahrzunehmen.

„An jeder verdammten Straße hab ich Panik vom Bus überfahren zu werden, wenn ich nicht richtig aufpasse, mindestens 5 mal am Tag erschrecke ich mich zu Tode, weil jemand hinter mir auftaucht, Autofahren darf ich nur, wenn ich vorher einen Fahrtest mache, sagen die Behörden, und mein Faible für Musik beschränkt sich auf Stücke mit tiefen Bässen, bei denen ich wenigstens die Scheiß-Vibrationen spüre!“ Die letzten Worte „schrie“ er geradezu.

House wartete. Als Wilson nicht weitersprach, nickte er langsam.

„Gott, Wilson, ich weiß doch, wie das ist… glaubst du etwa, dass ich in meinen Träumen nen Stock brauche? Und du weißt, ich bin der letzte, der sagt ‚sieh es positiv, guck was du noch hast’. Es ist beschissen und es wird vielleicht auch nicht besser.“

Er stockte einen Moment.

„Ich weiß, du hast Angst vor nächster Woche. Aber du bist einer der besten Ärzte, die ich kenne. Und ich meine nicht in der Diagnostik. Klar, du bist gut, aber deine wahre Stärke lag doch schon immer im Umgang mit Menschen. Meine Güte, dieses Gespräch sollte Cameron führen, die könnte das garantiert besser. Was ich sagen will“, er atmete tief durch, „ist, dass du noch mit den schlimmsten Patienten wunderbar umgehen kannst. Egal, ob die völlig weinerlich oder stinksauer sind, dir vertrauen sie. Obwohl das völlig schwachsinnig ist, weil sie dich ja gar nicht kennen. Dann sähe das vielleicht anders aus! Aber das ist etwas, was du nicht einfach so verloren hast. Das kannst du immer noch.“

Wilson schien etwas ruhiger zu werden. House fuhr fort.

„Ich weiß, ich bin ein beschissenes Vorbild, so wie ich in Selbstmitleid bade, aber für dich ist das so nichts. Du bist James Wilson, Boy-Wonder-Onkologe des PPTH. Du bist schon immer hoffnungslos optimistisch gewesen, das macht dich aus. Das darfst du nicht verlieren."

House bewegte sich etwas, um in eine bequemere Sitzposition zu kommen. Er verzog das Gesicht, als Schmerz durch sein Bein zuckte. Diesmal entging es Wilson nicht und prompt schaltete er auf seinen ‚Arzt-Modus’ um.

„Du solltest hier weg. Die Couch ist bequemer.“

Er stand auf und hielt House eine Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Der hinkte langsam ins Wohnzimmer. Als er sich gesetzt hatte, stand Wilson immer noch in der Tür.

„Na komm, Brando wartet.“

„Ich glaube, ich gehe lieber ins Bett. Ich bin ziemlich fertig.“

House nickte. Wilson drehte sich um, um zu gehen, da stampfte House mit dem Stock auf den Fußboden und der Onkologe drehte sich noch einmal zu ihm um.

„Wilson?“

„Hm…?“

House zögerte.

„Ist schon gut, war nichts… doch, warte. Ich wollte nur sagen… nimm dir nicht die falschen Vorbilder. Manche Idioten sollen ja sogar eine Drogenabhängigkeit entwickelt haben, weil sie nicht mit ihrem Leben umgehen können… pass einfach auf dich auf, ja?“

„Dir auch eine gute Nacht, House.“

Wilson lächelte schwach, dann drehte er sich um und verschwand mit hängenden Schultern in seinem Zimmer, wo er sich aufs Bett warf und von der Dunkelheit und Stille einhüllen ließ.

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